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Dieses Thema hat 30 Antworten
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 Und er spricht doch (öffentlich)
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Elektra Offline

und definetely not everybody's darling (Forumsbetreiber)


Beiträge: 41.083

27.03.2009 00:29
Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten
Mal wieder ein Protokoll, diesmal von einem Abendvortrag von Sabine Winkler, Thema: "Streß beim Hund"

Zu viert saßen wir im Seminarraum, und neben uns schnurchelte Ben. Bennie wartete im Auto, die Box ist in solchen Situationen Gold wert, er findet dort wirklich zur Ruhe.

Bevor es losging, hatten wir noch Gelegenheit, vom Auto aus einigen praktischen Übungen auf dem an den Seminarhof grenzenden Hundeplatz zu beobachten, es war lustig, zu überlegen, was die da wohl gerade beabsichtigten, die Stimmung war wirklich gut, und das Ganze machte richtig Spaß.

In der Sache erfuhr ich allerdings nicht so wahnsinnig viel Neues, einige Ausrisse allerdings waren durchaus interessant, insbesondere die Anmerkungen, die Sabine Winkler zum Thema "Beschwichtigungssignale" (sprich: Calming signals, sprich: Turid Rugaas) machte. Es scheint sich in der Szene doch langsam rumzusprechen, daß ein unreflektierter Verweis auf Rugaas' Erkenntnisse nicht unbedingt ratsam ist, ich habe jetzt bereits zum dritten Mal (Blaschke-Berthold, Baade-Jones und jetzt eben Winkler) erlebt, daß nach Kräften relativiert und ins rechte Licht gerückt wurde, ohne dabei vollständig abzuqualifizieren, was Rugaas beobachtet und veröffentlicht hat.

Zum Thema "Beschwichtigung/calming signals/Rugaas"

Bei Blaschke-Berthold ging es u.a. um Übersetzungsprobleme (das norwegische Wort sei im Deutschen und Englischen so nicht zu finden, erklärte sie), Baade-Jones wies u.a. darauf hin, daß Rugaas viel erkannt, aber zuviel auf "nicht-norwegische Verhältnisse" übertragen habe, Sabine Winkler stieß in ein ähnliches Horn, nachdem sie früher mal weniger kritisch über die "Calming Signals" gesprochen hatte.

Ihre Einschätzung jetzt: Sie würde das, was Rugaas als "calming signals" bezeichnet, lieber als "deeskalierendes Verhalten" qualifizieren (Blaschke-Berthold nennt das Ganze Konfliktsignale/-zeichen) und erklärt das, was sie damit meint, wie folgt: Der Hund ist noch nicht gestreßt genug, Angst und Aggression zu zeigen, fühlt sich aber unwohl genug, um dem Gegenüber zu signalisieren "ich will jetzt keinen Ärger, aber laß das, was Du gerade tust".

Winkler begreift die Signale, die der Hund in streßträchtigen Situationen zeigt, in erster Linie als Chance für den Halter. Wer erkennen kann, daß sein Hund gerade unter Streß gerät, kann den Vierbeiner rechtzeitig "rausnehmen", bevor er in die Verlegenheit gerät, Angst und/oder Aggression empfinden/zeigen zu müssen.

Sie erklärt, daß Rugaas Arbeiten darüberhinaus keine wirklich wissenschaftliche Bedeutung haben und nicht ganz zu Unrecht umstritten sind. Rugaas habe den Begriff "Beschwichtigungssignale" deutlich zu weit gefaßt, zudem sei er in der Verhaltensforschung bereits anders besetzt und Rugaas wissenschaftlich zu ungeschult gewesen, um dies in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Sie habe zuviele Verhaltensweisen "mit reingepackt" und unglücklicherweise dazu beigetragen, daß es praktisch zu einer Art "Mode" wurde, alles mögliche an Verhalten als "Beschwichtigung" zu interpretieren.

Ihr Fazit in punkto "Calming Signals"

Trotz gebotener Vorsicht in Bezug auf die Verwendung des Begriffs Beschwichtigung und trotz notwendiger Differenzierung in der Interpretation bestimmter Verhaltensweisen (Beispiel: Gähnen ist nicht immer Beschwichtigung, sondern kann Müdigkeit genauso zeigen wie einen Konflikt signalisieren), helfe das Wissen darüber, daß und wie ein Hund Streß anzeige, dem Menschen, mit dem Vierbeiner adäquater umzugehen und zu agieren, bevor Schlimmeres passieren müsse.

Wobei Winkler allerdings mehrfach darauf hinwies, daß Streß nicht unbedingt etwas Negatives sein müsse. Ihre Definition zu Beginn beinhaltete klar, daß es "guten" und "schlechten" Streß gebe und ein Hund durch beide Formen dergestalt unter Druck geraten kann, daß ein "Runterkochen" und Entspannen durch den Bezugsmenschen nötig sein kann.

Sabine Winklers Definition von Streß

Streß ist eine Reaktion des Körpers, die kurzzeitig und konkret situativ, aber auch dauerhaft auftreten kann. Kurzzeitig erlebter Streß sei nichts Schlimmes, im Gegenteil, auch sehr schöne Erlebnisse könnten (dann eben den bereits erwähnten positiven) Streß auslösen, zudem sei Streß bzw. seien die Hormonausschüttungen, die er mit sich bringe, durchaus überlebenssichernde Maßnahmen des Körpers (ein jagender Hund z.B. erlebt extremen Streß, er kann die Belastung nur aushalten, weil sein Körper Streßhormone ausschüttet, die ihn den Energieverlust oder etwaige Schmerzen, die er im Kampf um oder gegen die Beute erleiden könnte, situativ ausblenden lassen).

Winkler differenziert: Kurzeitigen Streß als normal, Dauerstreß als ungesund und die Wahrscheinlichkeit steigernd, daß der Hund unerwünschtes Verhalten wie Aggression zeigt. Spannend in diesem Zusammenhang zwei Zahlen.

Streßabbau und Dauer

1) Winkler meinte, Adrenalin baue sich in ca. 10-20 Minuten wieder ab (ich meine, mich zu erinnern, daß wir hier schon andere Daten diskutiert hatten), während "andere Hormonspiegel" (deren Namen ihr gerade nicht einfielen, wie sie sagte) erst zwei bis drei Tage später wieder "runtergefahren" seien.
2) Winkler erklärte, daß der Abbau von Dauerstreß (also der Weg des Hundes zu einem normaleren, ausgeglicheneren Erregungsniveau) selbst nach Beendigung des Zustandes, der den Streß hervorruft, noch ca. 6-8 Wochen dauern könne.
Hier möchte ich anmerken: Daß sie damit recht hat, erlebe ich gerade an Bennie. Wir schieben an vielen Stellen ja eine bewußt ruhige Kugel, und ich merke, wie er fast täglich weiter "runterkommt", aber immer wieder Situationen auftauchen, die ihn offenkundig in Erinnerung an irgendetwas, sichtbar aufregen.

Symptome

Was ich auch nicht wußte und wichtig finde, Winkler erklärte: Streß bringt auch den Wasserhaushalt des Körpers durcheinander. Zu den Symptomen könnte Mundtrockenheit genauso gehören wie ein starkes "Sabbern" des Hundes, vor allem aber könne er dazu führen, daß selbst Hunde, die immer stubenrein gewesen wären, es plötzlich nicht mehr seien. Oft werde dies dann als "Protestpinkeln" fehlinterpretiert, zumeist aber leide ein Hund, der plötzlich und unerwartet "undicht" werde unter z.B. Trennungsangst oder Lebensveränderungen, die er nicht kompensieren könne.

Auch lautes Gähnen sei eher selten ein Zeichen von Müdigkeit, sondern eher ein Signal dafür, daß der Hund gerade unter Streß stehe.

Weitere mögliche Streßanzeichen und was sie sonst noch sein können

1) freiwilliges Hinsetzen -> kann Deeskalierungsversuch genauso sein wie Drohgeste (verbunden mit Drohfixieren z.B.), zudem natürlich einfache "Warteposition"
2) freiwilliges Hinlegen -> kann "Kleinmachen" sein, aber auch Lauererstellung
3) Stehen -> kann einfrieren sein, aber auch Ablenkungsversuch oder "Erziehung" durch Ignorieren (wir erinnern uns an Ben, der Castor im wahrsten Sinne des Wortes "stehen ließ"
4) Bögen gehen -> Meideverhalten ist Lösungsstrategie, zeigt der Hund es bzw. will es zeigen, sollte der Mensch nicht eingreifen, wenn der andere Hund es akzeptiert und ebenfalls ausweicht

Viele Grüße
Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)

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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)

Elektra Offline

und definetely not everybody's darling (Forumsbetreiber)


Beiträge: 41.083

27.03.2009 01:11
#2 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten
Streßtypen

a) Typ A wird unruhig, bewegt sich ruhelos und wirkt oft vermeintlich "freudig", weil er viel "rumhoppst" und mit der Rute wedelt, was das Zeug hält, viele A-Typen in punkto Streß kläffen viel, springen Menschen und Artgenossen viel an und schnappen nicht selten in ihrer Übererregung nach Mensch wie Tier.

b) Typ B wird oft mit dem Etikett "dominant" versehen, weil er eher einfriert, unfähig ist, sich zu bewegen (und es ihm damit natürlich auch unmöglich ist, Hör- oder Sichtzeichen zu befolgen). Der B-Typ wird immer steifer und stiller, er wirkt stur und trotzig, wobei beides ausschließlich aus seiner Überforderung resultiert.

mögliche Ursachen für Streß

1) Frust
2) Müdigkeit
3) Angst
4) Hitze/Kälte
5) Übermüdung
6) Jagd
7) Interaktion mit Mensch und Hund (z.B. Spiel jeglicher Art, intensives Training, Agility usw.)
8) zuviele punktuelle Drucksituationen, die nicht kompensiert werden (z.B. Reizüberflutung in fremder Umgebung, zu oft alleingelassen werden usw.)
9) menschliches, aus hundlicher Sicht, "Fehlverhalten" (wie z.B. klammerndes und übergreifendes Anfassen, Sitz-Training per Herunterdrücken des hundlichen Hinterteils, von oben über den Kopf streicheln)

Hundliche Lösungsstrategien

I. Fight (Kämpfen)
II. Flight (Flucht)
III. Freeze (Einfrieren) -> in Reinkultur selten
IV. Fiddle around (Ablenken durch Spielaufforderung, "clownen")

Warum ist Aggression (Fight) als Strategie durch den Menschen so schwer "umzupolen"?

Aggression ist, verglichen mit Angst, für den Hund die "bessere" Strategie, weil sie einen selbstbelohnenden Aspekt hat. Winkler erklärte das am Beispiel Mensch: Wenn wir vor etwas Angst haben, fühlen wir uns oft wenigstens etwas besser, wenn wir einer daraus resultierenden Wut lautstark Ausdruck verliehen und das subjektive Gefühl gehabt haben, etwas gegen die Angst bzw. den Angstauslöser zu "tun".

Laut Winkler führt ein "nach vorne gehen", ein Schnappen oder Beißen, in einer sehr bedrängten Situation so gut wie immer zu einem wenigstens kurzen Zurückweichen des Gegners. Selbst, wenn der Gegner später "gewinnt" (oder der Mensch die hundliche Aggression durch eigene, menschliche, "deckelt"), reicht der Sekundenbruchteil des subjektiven Erfolgsgefühls, um das Ereignis als Gewinn abzubuchen und das Verhalten entsprechend als potentiell erfolgreich abzuspeichern und bei nächster Gelegenheit erneut zu zeigen.

Winkler ging sogar so weit, zu behaupten, daß das Verhalten eines Hundes, der sich oft durch Schnappen oder Beißen erfolgreich momentane "Luft verschafft" hat, möglicherweise nie ganz "rückdrehbar" ist. Inwieweit der Versuch, wirklich gefestigte Alternativen aufzubauen, erfolgreich sein kann, hängt laut Winkler dann, wenn der Hund zahlreiche Erfolge erlebt hat, von seiner genetischen Disposition ab, sprich, ist er genetisch betrachtet nicht sehr aggressiv veranlagt und hat "nur" Erfahrungswerte, die ihn die Aggression zeigen lassen, sind die Chancen höher, als wenn er Aggression als Strategie von vorneherein weit oben auf seiner inneren "to-do-Liste" stehen hat.

Zwischenbilanz

In punkto Streß ist nicht immer drin, was draufsteht, sprich: Ein Hund, der viel hoppst, ist nicht zwingend lebensfroh, sondern steht möglicherweise unter Dauerstreß, ein Hund, der äußerlich cool und stur wirkt, muß nicht zwingend cool und stur SEIN.

Viele Grüße
Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)

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Elektra Offline

und definetely not everybody's darling (Forumsbetreiber)


Beiträge: 41.083

27.03.2009 01:20
#3 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten
Streßgewöhnung und Streßreduktion

Winkler betonte mehrfach, daß es nicht richtig ist, sämtlichen Streß vom Hund fernhalten zu wollen, insbesondere nicht in der Welpenzeit. Sie sagt, daß es im Alltag, den der Hund in menschlicher Gesellschaft bewältigen muß, zwangsläufig zu Situationen kommen wird, die der Vierbeiner als Streß empfindet (z.B. Festhalten beim Tierarzt, Begegnungen mit Artgenossen auf engem Raum und unhundlich frontal usw.). Entsprechend muß er sich an bestimmte Formen von Streß gewöhnen bzw. lernen, sich daran anzupassen. Die Toleranzschwelle eines Hundes kann und muß ihrer Meinung nach durch gezieltes und vor allem maßvolles Training gehoben werden.


Vorbeugung gegen Angst- und Streßprobleme

1) durch vernünftige Zuchtauswahl (natürlich weiß sie, daß das nur für Rassehunde bzw. als Kriterium für die Anschaffung eines solchen bzw. eines Welpen im allgemeinen gelten kann)
2) durch gute Sozialisation (hält sie für immens wichtig, muß aber, Zitat, "mit leichter Hand" passieren, in der Größenordnung, einen Welpen etwa jeden 2. Tag ca. 1/4-Stunde in unterschiedliche Streßsituationen zu bringen, wie es z.B. ein Gang durch eine Innenstadt, eine Hundebegegnung, eine Menschenbegegnung etc. sein können)
3) vorbeugende Gewöhnung (wenn Mensch von vorneherein weiß, daß Hund bestimmte Situationen aushalten muß, übt man am besten vorher und dosiert, bevor man in den "Ernstfall" geht, Beispiel auch hier der berühmte Tierarzt-Besuch, aber auch die Gewöhnung an kindlichen Nachwuchs und dessen oft eher unhundliche Verhaltensweisen usw.)
4) Vorsicht bzw. besondere Rücksicht in sensiblen Phasen des Hundes wie z.B. dem Zahnwechsel, der Pubertät usw., in Zeiten also, in denen er, wäre er noch Wolf, eine neue Lebensphase erreichen würde und in denen er, so hat es die Natur eingerichtet, in aller Regel besonders scheu und vorsichtiger als sonst ist (in dieser Zeit sollte Mensch "ausbildungsmäßig" "halblang machen")
5) übergroßen Streß vermeiden und gleichzeitig Streßresistenz üben (z.B. einem Hund, der auf ein Seminar begleitet, am nächsten Tag viel Ruhe zu gönnen, einen Therapiehund nach Einsatz am nächsten Tag zu schonen und nicht gleich wieder in "Arbeit" zwingen usw.)
6) Angst nicht versehentlich bestärken, wenn sie da ist (hier betonte auch Winkler, daß ein Streicheln, wenn es richtig gemacht wird, Angst keinesfalls verstärkt, während ein "einen auf weinerlich machen" auf die bereits erlebte Angst des Hundes einen weiteren Streßfaktor "draufsetzt", weil der Mensch anders ist als normal und der Hund genau das als erschreckend wahrnimmt)*
7) schlechte Erfahrungen möglichst rasch aufarbeiten (hier wies Winkler auf diejenigen unter den Hundehaltern hin, die sich auf schlechten Erfahrungen ihres Hundes à la "der wurde als Welpe mal gebissen, deshalb ist er jetzt so aggressiv gegen Artgenossen" quasi ausruhen, statt sie gemeinsam mit ihrem Vierbeiner zu bewältigen)

*Ergänzung hierzu:
a) Souveranität vorzuspiegeln, hilft dem gestreßten Hund
b) auch Beschwichtigungssignale des Menschen können unterstützend wirken, vorausgesetzt, er zeigt sie, ohne zu verkrampfen und über eigene Körperspannung genau Gegenteiliges zu signalisieren
c) Angst und Aggression als solche können nicht belohnt werden bzw. über Belohnung verstärkt werden, eher kann ein Clickern und/oder eine Leckerchengabe die Grundstimmung in der streß-/angst-/aggressionsauslösenden Situation die Grundstimmung verbessern und entsprechend deeskalierend wirken, während eigenes/menschliches unnormales Verhalten beides sehr wohl verschärfen kann

Zusammenfassung

1) Es gibt positiven wie negativen Streß.
2) Kurzzeitiger Streß ist normal und genauso nötig wie richtig, langzeitiger Streß ist ungesund und muß so schnell wie möglich beendet werden.
3) Hunde zeigen deutlich, wenn sie Streß empfinden.
4) Signale, die zunächst wie Freude einerseits oder Sturheit/Trotz andererseits wirken, sind sehr oft eigentlich Anzeichen dafür, daß ein Hund gestreßt ist.
5) Vorbeugung gegen Streßanfälligkeit ist möglich und nötig.
6) Strategien von Stimmungsverbesserung und/oder gemeinsamem Alternativverhalten (z.B. rausnehmen aus einer Situation, gezieltes, gemeinsames Meideverhalten, gezielte situative Entspannung) sind möglich und sinnvoll.
7) Streß durch schlechte Erfahrung ist durch gezieltes "Gegentraining" reduzier- bzw. verhinderbar.

Viele Grüße
Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)

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critter Offline



Beiträge: 729

27.03.2009 07:09
#4 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Danke, Barbara, geniale Zusammenfassung. Persönlich finde ich

In Antwort auf:
"deeskalierendes Verhalten" ... (Blaschke-Berthold nennt das Ganze Konfliktsignale/-zeichen)

sehr treffendes Begriff.
In Antwort auf:
"andere Hormonspiegel" (deren Namen ihr gerade nicht einfielen, wie sie sagte) erst zwei bis drei Tage später wieder "runtergefahren" seien.

Hier meint sie Cortisol, glaube ich. Cortisol wirkt in höheren Dosen immunsuppressive durch Hemmung der Abwehrzellen und antiallergisch durch die Hemmung der Entzündungsreaktionen, die bei einer Allergie auftreten.
Ausserdem beeinflusst er Zuckerstoffwechsel.
Barbara

Sonora ( gelöscht )
Beiträge:

27.03.2009 07:36
#5 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten
danke für Deinen tollen Bericht, dafür das Du uns teilhaben lässt

Zitat von Elektra
1) Winkler meinte, [b]Adrenalin baue sich in ca. 10-20 Minuten wieder ab


jetzt bin ich aber neugierig, das ist die dritte Zeitangabe, die ich höre. Aus meiner eigenen Erfahrung scheint mir diese Angabe zu kurz, mein Pegel steigt die nächsten Minuten nach dem Auslöser deutlich weiter, wie ist das beim Hund?
Käthe Offline



Beiträge: 885

27.03.2009 08:14
#6 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten
Zitat von Sonora
Aus meiner eigenen Erfahrung scheint mir diese Angabe zu kurz, mein Pegel steigt die nächsten Minuten nach dem Auslöser deutlich weiter


War vielleicht gemeint: 10-20 Minuten nach dem Höhepunkt des Spiegels (wo auch immer der dann sein mag)?

Ansonsten: Vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Lehrreich wie immer.

LG von Käthe und dem Tünnes

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Never trust a dog with orange eyebrows! [Terry Pratchett]

critter Offline



Beiträge: 729

27.03.2009 08:15
#7 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Zitat aus Wikipedia:
So beträgt die Plasmahalbwertszeit von Adrenalin bei intravenöser Gabe nur ein bis drei Minuten.
Aber - auch Wikipedia (unter "Panikstörung"):
In der Regel bessern sich die Symptome analog zum Adrenalin-Abbau nach etwa 15 bis 20 Minuten.
Des Rätsels Lösung habe ich in "Pharmakologie und Toxikologie" gefunden. Dort ist zB. für Cortisol abbau 150-180 minuten angegeben und zusätzlich - ich zitiere:
Es sei angemerkt, dass die Halbwertszeit für das Abklingen des biologischen Effektes wesentlich länger ist als Halbwertszeit für die Elimination aus dem Plasma.
Barbara

Sonora ( gelöscht )
Beiträge:

27.03.2009 08:20
#8 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Mönsch ihr liefert heute aber auf dem Silbertablett, ich habe noch nicht mal selbst bei Tante Google geschaut

Danke Barbara (Critter)

Nina Offline



Beiträge: 3.332

27.03.2009 08:59
#9 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Danke für die Zusammenfassung, das war wirklich interessant.

Was die Geschichte zu den Beschwichtigungssignalen, kann ich nur zustimmen. Meiner laienhaften Ansicht nach wird das von einigen Trainern doch etwas überbewertet.

Das "herumclownen" kenne ich auch. Als wir Lotta bekamen, hat sie uns ununterbrochen Spielzeug gebracht und auch wenn ihr heute eine Situation über den Kopf wächst, läuft sie los und bringt mir Spielzeug. Da habe ich auch eine Weile gebraucht, bis ich kapiert habe, dass sie gar nicht spielen will sondern mit der eigentlichen Situation überfordert ist.

AnneCN Offline

weil's Bielefeld ja nicht gibt, mit zwei kleinen Herminen im zauberhaften Teutoburger Wald unterwegs


Beiträge: 8.091

27.03.2009 11:13
#10 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Vielen, vielen Dank liebe , dass Du uns dieses interessante Thema so ausführlich nähergebracht hast.
In einigen Punkten konnte ich meine Hunde wiedererkennen. Besonders das laute Gähnen (macht Foxy öfters mal, habe ich aber nie weiter beachtet) werde ich mal verstärkt beobachten.

Viele Grüße aus China
von Anne

Liebe Grüße von Anne
mit Jeannie und Samu

Foxy, in meinem Herzen bist du immer bei mir.

Stef Offline



Beiträge: 2.085

27.03.2009 11:15
#11 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Danke für den Bericht!!

Öh, und Corazón gähnt immer, daß man Ohrstöpsel braucht

Sennsitive Offline




Beiträge: 161

27.03.2009 18:31
#12 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Vielen Danke für diese mal wieder wundervoll verständliche Zusammenfassung. Toll, dass du dir immer diese Arbeit machst.

Den Typ A kenn ich von Lola, wenn sie als "Hundetrainerin" dabei ist. Da bekommt sie zwischendurch auch ab und zu so Hüpfanfälle und springt an mir hoch, wenn sie von irgendwas gestresst ist. Gut, dass ich jetzt beim nächsten Mal fundiert erklären kann, wieso mein Hund mich anspringt, wo wir doch allen immer beibringen, dass die Hunde Menschen eben nicht anspringen sollen.

Dankedankedanke, Ivonne

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Willst du Meinungen über Tiere, frag die Menschen. Willst du Fakten, frag das Tier.
- J. Allen Boone

Toni Offline

wo langjährig unschuldig sitzender Knasti entschädigt wird


Beiträge: 6.180

27.03.2009 18:37
#13 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Eine wirklich gelungene Zusammenfassung. Danke Barbara für die Mühe und das Teilen mit uns.
LG Nicole

**************
Liebe Grüße
Nicole mit "Stinkstiefel" Tobi, und Balou, meinem Bärchen, für immer im Herzen

"Ihr Hund mag Ihnen gegenüber vielleicht ungehorsam sein, aber den Gesetzmäßigkeiten des Lernens gehorcht er stets ausnahmslos perfekt."

Jean Donaldson

stoppel Offline



Beiträge: 8.461

27.03.2009 23:21
#14 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten

Vielen Dank, dass du uns an deinen Seminaren so intensiv teilnehmen lässt.

Zur Beurteilung, ob ein Hund gestresst ist:
Situativen Stress zu erkennen, ist schon nicht ganz leicht.
Schwieriger ist es aber noch Dauerstress auszumachen.
Sehe ich gerade an Richy. Dass der mal wie ein mittelalter Schäfi ganz freiwillig lange Zeit ohne Signal zufrieden neben mir läuft, hätte ich vor nicht allzu langer Zeit als gegen seine Natur erachtet.

LG Iris mit Brummbär Richy und Springmaus Querida
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"Happiness is not a station you arrive at, but a manner of travelling." (M.L. Runbeck)

Wegwarte Offline




Beiträge: 1.007

31.03.2009 12:22
#15 RE: Stress beim Hund, Abendvortrag Zitat · Antworten
Hallo Barbara,

super interessant. Vielen Dank für´s Berichten

Betty gehört dann klar zum Typ B.

In Antwort auf:
c) Angst und Aggression als solche können nicht belohnt werden bzw. über Belohnung verstärkt werden, eher kann ein Clickern und/oder eine Leckerchengabe die Grundstimmung in der streß-/angst-/aggressionsauslösenden Situation die Grundstimmung verbessern und entsprechend deeskalierend wirken, während eigenes/menschliches unnormales Verhalten beides sehr wohl verschärfen kann


Das ist auch unsere Erfahrung bei Betty und hilft ihr sehr in schwierigeren Situationen.

Viele Grüße von Anja
....die mit dem Fiasko-Fränzle

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