Sie sind noch nicht angemeldet. Klicken Sie hier und lassen Sie sich kostenlos registrieren, um weitere Rubriken zu sehen und zusätzliche Lese- und Schreibrechte zu erhalten. Impressum 
Bilder Upload
| Übersicht | Suche | Registrieren | login |
| Hundeschule | Aggressionshund | Tierschutz | Toughstuff | Lennie | Impressum/Datenschutz

Anmeldung bitte hier
Dieses Thema hat 11 Antworten
und wurde 1.202 mal aufgerufen

Das Neueste auf einen Blick



 Behaviour (öffentlich)
Mio ( gelöscht )
Beiträge:

20.05.2009 09:33
Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Es tut mir leid, wenn ich wieder ein altes Thema durchkaue, aber ich es wär mir eine Hilfe, wenn ich ein featback bekommen könnte, ob ich mit meinem Denken auf dem richtigen Weg bin.

Es geht um das Thema Aggressionen verstärken.

Als Beispiel habe ich mir jetzt einen Mensch genommen, der Platzangst hat und mit dem ich in einem Aufzug stecken bleibe. Wenn dieser Mensch nun Panik bekommt, würde es ihm sicherlich nicht helfen ich würde ihn mit einem scharfen Nein anschreien oder womöglich noch am Kragen packen. Er hätte beim nächsten Mal Aufzug fahren evtl. noch mehr Angst. Aber sicherlich würde er dadurch nicht ruhiger werden, es sein denn seine Angst vor mir ist nun größer als die Platzangst, womit das eigentliche Problem jedoch nicht gelöst wäre. Im Gegenteil, die Person würde mit mir bestimmt nichtmehr freilwillig Aufzug fahren.

Würde ich die Person versuchen zu beruhigen, in dem ich ihr sage, daß alles halb so schlimm ist, ihr das Gefühl vermittel, ich kümmere mich darum, daß wir hier raus kommen, wäre ich ihr sicherlich eine Hilfe. Durch dieses Verhalten würde die Person beim nächsten mal Aufzug fahren auf keinen Fall noch mehr Angst bekommen, vielleicht sogar ein bisschen weniger.

Bin ich auf´m richtigen Weg?????????????

yashilica Offline



Beiträge: 1.301

20.05.2009 10:42
#2 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten
Für einen Menschen trifft das von dir Beschrieben sicher zu.

nachdem ich aber mal annehme, dass es Dir eigentlich um hundliches Verhalten geht, muss man schon ein wenig differenzieren. In beiden Fällen wirst Du mit am Kragen packen und Schreien ect. nicht erreichen, dass das Tier/der Mensch weniger Angst hat - im Gegenteil, du wirst sie wie du auch geschrieben hast, verstärken.

Aber jetzt kommt der Unterschied: wichtig ist bei einem Menschen wie und was du sagst zur Beruhigung, denn er kann Deine Worte verstehen. BEi einem Hund in seiner Angst solltest Du aber nicht hätschlend-beruhigen, mitleideig mit dem Tier in seiner Angst reden - dadurch könntest Du die Angst verstärken - der Hund versteht ja die Worte nicht. Er kann sich aber in seinem Angstverhalten durch ein übermäßiges "Mitleidgetue" (Aaaaarmer Hund...) bestätigt fühlen. Also, ich würde das Tier nicht in Angstituationen betüddeln und bedauern. Sonder in solchen Situationen am besten Körperkontakt halten (wenn vom Hund gewünscht), ruhiges Zusprechen aber nicht mehr Aufmerksamkeit und eine riesen Brimborium drumrum. Sonst geht der Schuss evt. auch nach hinten los.

PS: In deinem Titel steht "Umgang mit Aggression" meintest Du Angstagression - denn dein Text bezieht sich auf Angst.

Conny

Mio ( gelöscht )
Beiträge:

20.05.2009 10:55
#3 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Zitat von yashilica


Aber jetzt kommt der Unterschied: wichtig ist bei einem Menschen wie und was du sagst zur Beruhigung, denn er kann Deine Worte verstehen. BEi einem Hund in seiner Angst solltest Du aber nicht hätschlend-beruhigen, mitleideig mit dem Tier in seiner Angst reden - dadurch könntest Du die Angst verstärken - der Hund versteht ja die Worte nicht. Er kann sich aber in seinem Angstverhalten durch ein übermäßiges "Mitleidgetue" (Aaaaarmer Hund...) bestätigt fühlen. Also, ich würde das Tier nicht in Angstituationen betüddeln und bedauern. Sonder in solchen Situationen am besten Körperkontakt halten (wenn vom Hund gewünscht), ruhiges Zusprechen aber nicht mehr Aufmerksamkeit und eine riesen Brimborium drumrum. Sonst geht der Schuss evt. auch nach hinten los.


Ich meinte auch nicht hätscheln und "Mitleidgetue" sondern mit ruhiger Stimme versuchen dem Hund verständlich zu machen, daß alles in Ordnung ist oder wenn möglich auch mit ruhigem Körperkontakt. Ich denke, es wäre auch dem Mensch nicht mit Mitleid in dem Moment geholfen.

Zitat von yashilica

PS: In deinem Titel steht "Umgang mit Aggression" meintest Du Angstagression - denn dein Text bezieht sich auf Angst.


Ja, die meinte ich .

Jasper Offline




Beiträge: 1.512

20.05.2009 11:21
#4 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Hi Mio,

ich bin alles, nur kein Experte. Aus persönlicher Erfahrung kann ich allerdings sagen, dass sich Jaspers Verhalten erst angefangen hat zu verbessern, als wir den Druck bei Hundebegegnungen rausgenommen haben. Also kein laut werden unsererseits mehr - das hat die Situation immer mehr angeheizt.
Jetzt achte ich darauf, selbst ruhig zu bleiben und rede mit fröhlicher Stimme auf ihn ein - um ihm so zu vermitteln, dass der andere Hund keine Bedrohung darstellt.
So gesehen würde ich schon sagen, dass du auf dem richtigen Weg bist...

--------------------------------------------------------------------
Liebe Grüße,
Esther mit Jasper

"Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche"
Ernesto Che Guevara

stoppel Offline



Beiträge: 8.461

20.05.2009 21:44
#5 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Zitat von Mio

Würde ich die Person versuchen zu beruhigen, in dem ich ihr sage, daß alles halb so schlimm ist



Da ich früher eine ausgeprägte Spinennphobie hatte, kann ich dir sagen, das hilft bei ausgeprägten Ängsten nicht.

==> Bei Hund wie Mensch darf die Erregung nicht zu groß sein, sonst muss er agieren, u.U. auch mit Aggression. (Spinnen erschlagen ist ja im allgemeinen sozial akzeptiert!)

==> Das schon bestehende Erregungsniveau ist entscheidend für die Intervention. Ist es zu hoch, kann der Hund nicht mehr auf dich achten oder gar folgen. Dann hilft nur eine größere Distanz zum Auslöser.


In Antwort auf:
...ihr das Gefühl vermittel, ich kümmere mich darum, daß wir hier raus kommen, wäre ich ihr sicherlich eine Hilfe
.

Wie du das deinem Hund vermittelst ist entscheidend.
Dem einen helfen klare und auch evtl. lautere Ansagen. Die würden bei meinem Hund Panik auslösen. Deshalb ist unser Mittel der Wahl ein 'Einlullen'. Andere Hunde würden dadurch evtl. in ihrer Angst bestätigt.

In Antwort auf:
Durch dieses Verhalten würde die Person beim nächsten mal Aufzug fahren auf keinen Fall noch mehr Angst bekommen, vielleicht sogar ein bisschen weniger.


Nur, wenn die Situationen vergleichbar sind (s. a. ortsgebundenes Lernen), deine Reaktion ebenfalls, das Erregungsniveau nicht zu hoch ist und die Wiederholungen häufig genug stattfinden. Und besonders dann, wenn die Stimmung am Ende die Situation positiv färbt.

LG Iris mit Brummbär Richy und Springmaus Querida
_______________________________________________

"Happiness is not a station you arrive at, but a manner of travelling." (M.L. Runbeck)

Nina Offline



Beiträge: 3.332

20.05.2009 22:33
#6 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Zitat von Mio

Würde ich die Person versuchen zu beruhigen, in dem ich ihr sage, daß alles halb so schlimm ist, ihr das Gefühl vermittel, ich kümmere mich darum, daß wir hier raus kommen, wäre ich ihr sicherlich eine Hilfe.


Ich glaube, hier ist das Problem, das "wie". Es reicht ja auch bei einem Menschen nicht, es zu sagen, man muss die nötige Souveränität ausstrahlen. Um bei Deinem Besipiel zu bleiben: Sitze ich mit jemandem im Aufzug fest, der mir zwar versichert, dass er uns da raus holt, aber selbst nervös wirkt, dann glaube ich ihm nicht und werde vielleicht sogar noch nervöser. Habe ich sogar das Gefühl, der andere ist in einer gefährlichen Situation noch ängstlicher als ich, fange ich zusätzlich noch an, mich für ihn verantwortlich zu fühlen und bin möglicherweise überfordert.

Das komplizierte ist also nach wie vor: wie agiere ich cool und souverän, wenn ich eigentlich selbst angespannt bin. Dafür habe ich leider bis heute keine Lösung gefunden.

Mio ( gelöscht )
Beiträge:

20.05.2009 23:50
#7 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Ich glaub ich hab meine Frage wohl falsch rüber gebracht. Es ging mir in Gedanken noch um den Thread
http://www.aggressionshund-forum.de/t381...m-Clickern.html
um die Sorge, daß ich mit dem Clicker angstaggressives Verhalten verstärken könnte. Und ich hatte Schwirigkeiten es nachzuvollziehen, daß es nicht so ist. In etlichen Büchern liest man es, man solle es nicht tun, überhalb hört man es gesagt. Das oben genannte Beispiel sollte nur ein Beispiel dafür sein, mir selbst verständlich zu machen, warum das nicht stimmt. Daß ich in extremen Stresssituationen das Verhalten durch gut zureden nicht verstärken kann.

Ich glaub irgendwie kann ich nicht so schreiben, wie ich denk .


Karin K Offline




Beiträge: 15

22.05.2009 08:56
#8 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Hi,

immer dran denken dass das Leckerchen meist nicht die einzige Belohnung ist.

Stell dir mal vor, du wärst mit deiner Angstperson im Fahrstuhl, du sagst gerade: "Alles wird gut, entspann dich" und schwupps geht die Fahrstuhltür auf, in dem Moment in dem der Angsthase die ersten Anzeichen von Entspannung zeigt . Dann hätte dein Wort bei dieser Person sicher nicht nur in Fahrstühlen einen extrem hohen Wert. Die Angst wäre nicht sofort beim ersten Mal weg aber die Person könnte sich immer schneller entspannen und irgendwann würde sie sich gar nicht mehr aufregen.

Würde die Tür in dem Moment aufgehen in der die Person noch randaliert dann würde sie lernen dass sie sich nur stark genug aufregen muss um die Tür zu öffnen. Es entsteht ein Aberglaube in Bezug auf das Verhalten, aber die Angst vor dem Aufzug würde sich nicht verstärken. Im Gegenteil: durch den Eindruck, mit ihrem Verhalten die Aufzugtüren beeinflussen zu können würde die Person eine Art Kontrolle über ihre Situation erlangen und es kann sogar passieren dass dadurch das Gefühl Angst verschwindet. Das Verhalten aber bleibt, denn es bringt ja Erfolg - früher oder später, die Türen gehen auf wenn ich nur lange genug tobe.

Ähnlich geht es Hunden - oft zeigen sie Verhalten obwohl die Motivation dahinter gar nicht mehr besteht. Sie haben Angst, pöbeln, der andere geht weg (vielleicht nur weil er eh vorbeigehen wollte und den Pöbler gar nicht bemerkt hat) und der Erfolg ist da. Oder sie weichen zurück, haben damit keinen Erfolg, gehen nach vorne und haben Erfolg. Nächstes Mal wird wieder gepöbelt. Allein das Gefühl, die Kontrolle zu haben, ist belohnend. So routinieren auch Hunde ein Verhalten: "Wenn ich nur lange genug pöbel kommen keine Hunde auf uns zu und wir kommen wieder sicher nach Hause." Beginn einer solchen Routine können verschiedene Dinge sein: Halter spannt die Leine wenn andere Hunde in Sicht kommen, Hund hat selbst schlechte Erfahrungen gemacht, Hund hat zu wenig Erfahrungen gemacht usw.

Mit dem Markern von ruhigem Verhalten in sicherer Distanz kann man dem Hund also erstmal vermitteln dass die Hunde auch fortbleiben wenn er ruhiger ist. So wie ein Mensch in einem Aufzug lernen könnte dass er ruhig bleiben kann und die Türen dennoch aufgehen können. Je nach Situation kann durch das Training das Verhalten geändert werden auch ohne dass man den Marker als Sicherheitssignal braucht. Ein ängstlicher Hund kann lernen dass andere Hunde gar nicht gefährlich sind, ein frustrierter Hund kann lernen dass er auch und gerade zu den anderen Hunden kommt wenn er nicht pöbelt und geifert, ein aggressiver Hund kann lernen dass er mit seinem Verhalten den anderen Hund nicht vertreiben kann sondern dieser nur geht wenn er selbst ruhig ist.

Ich kann also weder Angst noch Aggression vermindern oder verstärken. Ich kann aber die Reaktion auf Angstauslöser und Aggressionsauslöser beeinflussen. Der ängstliche Hund bekommt nicht mehr Angst wenn ich ihn bedauere, aber er wird evtl stärkeres Angstverhalten zeigen, der aggressive Hund wird nicht aggressiver wenn ich ihn streichel aber er wird vielleicht nun beißen statt nur zu knurren. Er wird aber nicht ängstlicher oder aggressiver, er verleiht diesen Gefühlen nur anderen Ausdruck.

LG, Karin!

Mio ( gelöscht )
Beiträge:

22.05.2009 10:43
#9 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Zitat von Karin K



Ich kann also weder Angst noch Aggression vermindern oder verstärken. Ich kann aber die Reaktion auf Angstauslöser und Aggressionsauslöser beeinflussen. Der ängstliche Hund bekommt nicht mehr Angst wenn ich ihn bedauere, aber er wird evtl stärkeres Angstverhalten zeigen, der aggressive Hund wird nicht aggressiver wenn ich ihn streichel aber er wird vielleicht nun beißen statt nur zu knurren. Er wird aber nicht ängstlicher oder aggressiver, er verleiht diesen Gefühlen nur anderen Ausdruck.



??? Wieso sollte der Hund dann nichtmehr knurren sondern gleich beißen, wenn er gestreichelt wird? Streicheln setzt doch Oxytozin frei (wir gehen davon aus, daß der Hund auch richtig gesteichelt wird) =Gegenspieler von Adrenalin und Cortisol.

Wen der Hund beißen könnte, wäre es die Hand des Besitzers, die ihn vielleicht streichelt, aber als umgleitetete Aggression nicht um der Aggression einen anderen Ausdruck zu verleihen.

Wenn ich auf meinen Hund Schmerzen zufügen würde oder andere Dinge, die für ihn unerträglich wären, sobald dieser knurrt, könnte evtl. passieren, daß der Hund nichtmehr knurrt, sondern gleich zum beisen übergeht, insofern er natürlich so nah Kontakt zum anderen Hund hat, das ihm dieses auch möglich ist. Ich habe meinem Hund dann beigebracht, daß er an der Leine andere Hunde nicht anbellen, knurren darf, hab ihm aber keineswegs die Angst genommen, im Gegenteil, er hat nichtnur angst vor dem Hund, sondern auch vorm anderen Ende der Leine.

Die Aufzugsituation sollte ja in keinem Fall eine Desensibilisierung des Hundes sein. Sondern ein Beispiel, welche Möglichkeiten habe ich zu reagieren, wenn in eine blöde Situation komme. Wie z.B. mir begegnet ein anderer Hund und ich habe keine Möglichkeit mehr auszuweichen und die Distanz ist zu gering, so daß der Hund in dieses Verhalten fällt. Es geht nicht um eine Therapie sondern wie kann ich in dieser Situation am wenigsten Schaden anrichten.

Ich habe bei Mio mit Streicheln gute Erfahrung in punkto Männer gemacht. Er wird ruhiger in Situationen, setzt sich zu mir, ich streichel ihn nebenher und er bleibt dann sitzen. Als ich anfangs versucht habe, ihn mit einem NEIN zu signalisieren, daß ich nicht möchte, daß er knurrt, hatte er dann aber die Person nicht aus den Augen gelassen, war angespannt und bei Bewegungen der Person wollte er gleich nach vorn, die Nackenhaare waren gestellt. Er ist jetzt viel enspannter, sicherlich ist das Verhalten noch nicht fest verankert aber wir haben eine Alternative gefunden und mittlerweile sieht man an seinem Gesichtsausddruck auch die Angst und Unsicherheit und nichtmehr die Aggression.

Elektra Offline

und definetely not everybody's darling (Forumsbetreiber)


Beiträge: 41.083

30.05.2009 03:00
#10 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Hey Nicole,

wie versprochen meine Sicht hierzu, wobei ich mich jetzt mal nicht mit dem Fahrstuhlbeispiel beschäftige, sondern mit dem Verhalten eines Hundes.

Ich würde erstmal festhalten wollen, daß Angst und Aggression unterbewußt entstehen und entsprechend vom Bewußtsein nicht zu kontrollieren sind. Praktisch sähe das so aus: Der Hund nimmt einen Reiz wahr, sagen wir, einen großen, dunkel gekleideten Mann mit Baseballkappe. Im Gehirn des Hundes wird jetzt quasi ein Etikett vergeben: Großer, dunkler Mann = Angst.

Der Hund hat jetzt zwei Möglichkeiten, zu reagieren, diese Wege stehen ihm instinktiv abrufbar zur Verfügung: Flucht oder Aggressionsverhalten.

Welchen Weg er gehen wird, hängt von zwei Faktoren ab: Einerseits seiner genetischen Veranlagung und andererseits seiner Vorerfahrung.

Sagen wir, der Hund hat eine genetische Disposition zur Angst und hat die Erfahrung gemacht, daß ihm eine Flucht Erfolg bringt, dann wird er angesichts des Mannes wegrennen.

Sagen wir, der Hund hat eine genetische Disposition zur Angst und hat die Erfahrung gemacht, daß ihm eine Flucht unmöglich war, wird er aggressives Verhalten zeigen.

Hat er eine genetische Disposition zur Aggression und die Erfahrung gemacht, daß die ihm auch Erfolg bringt, wird er aggressives Verhalten zeigen, je nach Erfahrung entsprechend stark.

Als Mensch habe ich keine Möglichkeit, auf die genetische Disposition einzuwirken. Ich kann den Hund aber neue Erfahrungen machen lassen.

Ein entsprechendes Lernprogramm müßte mehreres leisten, und ich finde es wichtig, darauf hinzuweisen, daß eines dieser Versatzstücke alleine keine wirklich Lösung sein könnte.

1) Müßte ein sinnvolles Vorgehen des Menschen die Gesamtstimmung des Hundes verbessern, denn Angst und Aggression sind Gefühle, die nicht nur wir nicht haben wollen, der Hund mag sie auch nicht, unsere Vierbeiner schütten nicht umsonst Streßhormone in großen Mengen aus, wenn sie Angst haben oder sich aggressiv verhalten. Nun würde ein Streicheln und das beruhigende Wort das durchaus leisten, solange es den ohnehin schon ängstlichen oder aggressiv gestimmten Hund nicht verunsichert (und das kann eine Überhäufung mit Mitleid durchaus tun), während eine Aggression von menschlicher Seite die Angst und/oder Aggression des Hundes verstärken würde.

2) Müßte der Hund in die Lage versetzt werden, zu lernen, daß der von ihm als angst- oder aggressionsauslösend etikettierte Reiz keine Gefahr bedeutet. Das kann ich nicht vermitteln, indem ich sage: "Och, Hund, es passiert doch nichts, ich bin ja bei Dir." Mit einem gewissen Recht antwortet der Hund darauf: "Das stimmt nicht, es passiert was, ich habe nämlich Angst." Und genau an diesem Punkt würde ich der These widersprechen, daß wir lediglich die Reaktion des Hundes auf die Angst ändern können, au contraire, wir müssen sogar die Angst selbst nehmen, sonst haben wir wenig Chancen, dem Hund wirklich zu helfen.
Was passieren muß, ist, daß der Hund den Reiz, vor dem er Angst hat bzw. der seine Aggressionen auslöst, neu verbindet. Dafür stehen uns zwei Werkzeuge zur Verfügung, die Gegenkonditionierung, die dem Hund neue Verknüpfungen ermöglicht (Stichwort: schönclickern) und die Desensibilisierung, die den Hund schrittweise an den Reiz heranführt und ihm tatsächlich beibringt, festzustellen, daß er vor ihm keine Angst haben muß. Wichtig hierbei ist, daß weder das eine, noch das andere funktionieren kann, wenn der Mensch reagiert und nicht agiert. Das heißt, sobald die Angst und/oder Aggression zu stark werden, kann ich den Hund nicht mehr erreichen, er kann nichts mehr lernen, wenn die unterbewußten Verbindungen erst einmal greifen. Das bedeutet: Ich muß schon in dem Moment anfangen, ein alternatives Verhalten aufzubauen, an dem der Hund die Gefahr zwar sieht, sie aber noch nicht als Bedrohung für Leib und Leben wahrnimmt.

3) Müßte der Hund generell lernen, dem Menschen an seiner Seite zu vertrauen. Das bedeutet nicht, daß er den Menschen oder der Mensch ihn "liebhaben" muß. Es bedeutet, daß der Hund den Menschen als souveränen Partner wahrnehmen kann, der in der Lage ist, Probleme zu bewältigen und dem Hund die Angst, eben genau das, zu nehmen. Das kann nicht funktionieren, wenn immer nur im Ernstfall klare Ansagen von Seiten des Menschen kommen. Der gesamte Alltag muß davon bestimmt sein, daß der Hund von seinem Menschen Informationen über richtig und falsch bekommt, darüber, was er tun darf und soll und was nicht und natürlich auch über Verhaltensregeln, die ihm in Problemsituationen dienen können.

4) Müßte der Hund, der vor vielem große Angst hat oder sehr schnell sehr "hochfährt", in seinem gesamten Erregungsniveau "runtergefahren" werden, es müßte dafür gesorgt werden, daß er sich insgesamt nicht soviel und so stark aufregt, daß er in einer Art Dauerstreß gefangen ist. Hier wären die Stichworte Entspannungssignale und Impulskontrolle zu nennen.

Insgesamt gilt hier, was eigentlich in der Hundeausbildung immer wichtig ist: Situative Maßnahmen im Ernstfall reichen nicht aus, um Angst- und Aggressionsprobleme in den Griff zu kriegen. Es bedarf eines Rundum-Paketes, um hundliches Verhalten nachhaltig zu ändern, ein gutes Training bzw. eine gute "Erziehung" setzen entsprechend früh und umfassend an, wobei im Hinterkopf meinem Dafürhalten nach tatsächlich der Grundsatz stehen sollte: Man kann negative Gefühle nicht durch positive Maßnahmen verstärken, durch negative jedoch schon.

Und, ich zitiere Dr. Feddersen-Petersen, man sollte davon ausgehen, daß das Ignorieren eines Verhaltens bzw. eines Problems bzw. eines Hundes für den Hund schlimmer ist, als jede negative Einwirkung es sein könnte. Soll heißen: Der Hund, der allein gelassen wird, leidet am schlimmsten, er braucht unsere Hilfe, und die sollte darin bestehen, ihm klare Wege aus der Angst und der Aggression aufzuzeigen, denke ich.

Viele Grüße
Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)

----

"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)

Mio ( gelöscht )
Beiträge:

30.05.2009 17:16
#11 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

Danke .

Bei mir hapert es noch an Punkt 3 manchmal . Ist mir auch gestern erst wieder bewusst geworden. Hatten eine kritsche Hundebegegnung die eingentlich mit Erfolg zu kennzeichnen war. Doch dannach hab ich erst mal meinen Puls gefühlt und war schweißgebadet. Auch ich habe mittlerweile des öfteren leider Anzeichen von Stress wenn´s eng wird. Es hängt viel an mir ob´s klappt oder nicht. Wie die Videoaufnahmen mit meiner Freundin. Dadurch, daß sie Aufnahmen von Mio´s Leinenaggression machen wollte, war ich wesentlich enspannter, da ich mich nicht selbst so unter Druck gesetzt habe. Ich habe lediglich das gemacht, was ich immer mache, aber lockerer. Und da hat er nicht losgelegt. Oder zur Führung: Wenn ich mit ihm auf den Hundeplatz gegangen bin, hab ich ihn erst aus dem Auto geholt, wenn ich so weit war, daß ich mich ganz auf ihn konzentrieren konnte. Da er von mir dort für alles eine Anweisung bekam, mutierten wir bald zum Streberpaar und Vorführobjekt. Auch das lies mich dann einen halben Kopf größer werden und ich strahlte Selbstvertrauen aus.

Ich sollte wirklich mehr an mir arbeiten. Doch das ist leichter gesagt, als getan.

Bei fremden Menschen war es wesentlich einfacher, diese positiv zu belegen. Warscheinlich weil die auch nicht so an ihm interessiert sind wie andere Hunde und nicht zurückbellen. Die können ihn mittlerweile auch anstarren und er wendet sich dann an mich.

Toni Offline

wo langjährig unschuldig sitzender Knasti entschädigt wird


Beiträge: 6.180

30.05.2009 17:21
#12 RE: Umgang mit Aggression Zitat · Antworten

@Elektra
Barbara, mal wieder ein toller Beitrag !!! Bringt es genau auf den Punkt.
LG Nicole

**************
Liebe Grüße
Nicole mit "Stinkstiefel" Tobi, und Balou, meinem Bärchen, für immer im Herzen

"Ihr Hund mag Ihnen gegenüber vielleicht ungehorsam sein, aber den Gesetzmäßigkeiten des Lernens gehorcht er stets ausnahmslos perfekt."

Jean Donaldson

 Sprung