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Dieses Thema hat 36 Antworten
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Das Neueste auf einen Blick



 Behaviour (öffentlich)
Seiten 1 | 2 | 3
Winnie Offline




Beiträge: 15

20.06.2008 15:23
Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten

Hallo ihr Lieben!

Ich habe mir schon diverse Beiträge von anderen Foris durchgelesen und finde es toll, wie offen hier mit Problemen umgegangen wird. In vielen anderen Foren habe ich den Eindruck, daß entweder keine Probleme vorhanden sind (?) oder diese totgeschwiegen werden.

Daher möchte ich auch mal gerne ein bißchen was über Jorgo berichten.

Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, daß Jorgo hochgradig allergisch auf diverse Arten von Milben und Pollen reagiert, was sicherlich einen Teil seines "Stressproblemes" ausgelöst hat.

Jorgo ist ein von Grund auf freundlicher und fröhlicher Hund. Er hat eine sehr starke Bindung zu mir und auch zu meiner Mutter und meinem Freund. Sein großes Problem ist der Stress, der durch etliche Faktoren ausgelöst werden kann. Sowohl positiver als auch negativer Stress lösen bei ihm Übersprungshandlungen aus und er schaltet teilweise richtig ab. Solange er ansprechbar ist, ist er der netteste und unkomplizierteste Hund der Welt. Aber unter Stress ist es so, als ob in seinem Kopf ein Hebel umgelegt wird. Er fährt sehr schnell hoch und braucht sehr lange, um wieder runter zu kommen.

Sein Jagdtrieb wäre unter "normalen" Bedingungen sicherlich einigermaßen zu händeln. Aber unter Stress ist er völlig unberechenbar und würde ALLES jagen, was sich bewegt.

2 Beispiele:

1. Vor 3 Wochen (oder so) waren meine Mum und ich mit Jorgo im Wald spazieren. Meine Mum und ich hatten eine Diskussion und haben dabei in einem etwas schärferen Ton miteinander gesprochen als normal (kein Streit). Jorgo hat das mitbekommen und wurde immer hektischer, so daß ich ihn nach einiger Zeit von der 10- auf die 3 Meter-Leine umgeschnallt habe. Was ein Glück war, denn kurz darauf ist hinter uns ein Reh über den Weg gesprungen. Jorgo ist völlig ausgerastet, ich konnte ihn 10 Minuten lang nur stehenderweise am Geschirr festhalten und er ist den ganzen Rückweg (eine halbe Stunde) nicht mehr runter gekommen.

2. Heute morgen war ich mit Jorgo auf dem "Hundeberg" bei unserer Stadt unterwegs. Dort laufen die meisten Hunde frei, Jorgo aber nicht, weil es dort Wild gibt. Jorgo war locker drauf und mit sich und der Welt zufrieden. Kurz vor Ende des Spazierganges ist direkt vor seiner Nase ein Hase aufgesprungen. Jorgo hat einen Ansatz gemacht, hinterher zu laufen (ging natürlich nicht wegen der Schleppe) und war anschließend sofort wieder ansprechbar und ist brav mit mir mit gelaufen. Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Wir haben mit ihm bereits ein Antijagdtraining bei einer Hundeschule des Animal-Learn-Verbandes absolviert. Das war eine tolle Sache. Leider ist er unter Stress für die gelernten Kommandos und Übungen nicht empfänglich.

Eine weitere "Unart", die er sich angeeignet hat, ist daß er an einer einzigen Straße die Autos ankläfft und anspringt. An dieser Straße wurde er von einem anderen Hund angefallen und hat offensichtlich einen Schock erlitten. Er war anschließend völlig teilnahmslos und hat gebrochen. Seitdem macht er das. Er fühlt sich dort ständig bedroht. Da er fast 40 kg wiegt, ist es schwer ihn dort zu händeln. Wir lenken ihn so gut es geht mit Fleischwurst und der Futtertube ab. Das eigentliche Problem wird aber dadurch nicht gelöst.

Jorgo bekommt Bachblüten von unserer Tierheilpraktikerin. Seitdem ist er schon wesentlich ruhiger geworden und schläft auch mehr. Er hatte eine lange Zeitlang keine 9 Stunden am Tag geschlafen.

Gegenüber anderen Hunden ist Jorgo zwar meist interessiert, aber nur sehr selten aggressiv. Damit haben wir zum Glück keine Probleme.

Was haben wir noch? Die Trennungsangst! Nach dem Tod meines Papas hat meine Mama sich sehr an ihn geklammert und seitdem kann er auch nicht mehr gut alleine bleiben. Er kriegt schon Panik, wenn man nur Anstalten macht, das Haus zu verlassen. Es könnte aber auch eine Art Kontrollzwang sein, was ich sogar eher glaube. Schon 10 Minuten alleine bleiben lösen bei ihm soviel Stress aus, daß er de Rest des Tages nicht mehr schlafen kann.

Sorry, das war jetzt etwas durcheinander, aber ich denke daß ich die wesentlichen Punkte habe. Für Tips und Kommentare von eurer Seite bin ich sehr dankbar!

Liebe Grüße
Katja und Jorgo

===================================================
Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!

Mielita Offline



Beiträge: 1.325

20.06.2008 19:18
#2  Zitat · Antworten

Tinca1 Offline

Chaos-Fraktionsvorsitzende 1, behütet von einmaligem Döggerich, jetzt mit krawallschachteligem Fleckenzwerg


Beiträge: 11.497

20.06.2008 19:33
#3 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten

Hi Christine, so verquer finde ich Deine Gedanken gar nicht. Sagt mir nur mein Bauchgefühl, denn die Hundeflüsterin vor dem Herrn bin ich schliesslich auch nicht. Für mich ein nachvollziehbarer Ansatz - bin mal gespannt, was die anderen dazu sagen!

********************
Viele Grüße,
Steffi mit Bendo - und Pina, Einstein, Tovje und Treff im Herzen

"Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann." (Francis Picabia, 1922)

Sonora ( gelöscht )
Beiträge:

20.06.2008 19:46
#4 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten

@Christine, das klingt plausibel und gut für mich, das Programm haben wir mit Kepri auch vollzogen, seit dem ist unsere Bindung sehr gut und Kepri ist ein sehr aufmerksamer Hund geworden. Sie sieht nichts, von ich ich nicht möchte das sie es sieht, was natürlich in viele Begegnungen Entspannung bringt.Die Orientierung an mir ist oft viel stärker als jeder Umgebungsreiz-sie kann in diesem Modus jeden Hasen/Hund links liegen lassen.
Ich vollziehe diese Programm heute nicht mehr in dem Maße wie früher, brauche ich auch nicht mehr, da Kepri nun auch mal entspannt durch Gegend schnüffeln darf, spreche ich sie an wird sie aber sofort freudig bei mir sein und der Dinge harren, die ich mit ihr anstellen könnte-ich kann, muss aber nicht mehr.
Es ist ein anstrengender aber erfolgreicher Weg für uns gewesen! Ich habe viel über die Beschäftigung unterwegs gelernt, hatte Spass neue Spiele zu entwickeln und Kepri war immer mit Feuereifer dabei. Diesen Feuereifer galt es dann allerdings irgendwann zu reduzieren, um auch mal entspannt sein zu dürfen, auch dies klappte gut, so trödeln wir heute oft offline durch den Wald.

Vera Offline




Beiträge: 91

20.06.2008 20:17
#5 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten
Hallo,

das was Ihr da beschreibt, kenne ich aus einem Ratgeber. Da wird gar nicht so sehr auf die Ursachen des Verhaltens eingegangen, sondern der einfache Tipp gegeben, dass, wenn eine unerwünschte Handlung erfolgt, vom Menschen kein schneidendes 'Nein' kommt, sondern eine eingeübte Ersatzhandlung angeregt wird. Die übt man am besten zunächst in reizarmer Umgebung, d.h. da, wo der Hund sein unerwünschtes Verhalten wahrscheinlich nicht zeigt, und tastet sich bei Gelingen immer weiter in die reizvollere Umgebung herein.

Warum es müßig ist, die Ursachen des Verhaltens zu definieren, ist, dass die Anschaffung einer Schafsherde zum Behüten sehr wahrscheinlich das einmal angewöhnte Fehlverhalten nicht mehr abstellt. Natürlich hilft es dem nächsten Hund dabei, keine Auffälligkeiten zu entwickeln, aber diesem hier hilft es nicht.

Die eingeübte Ersatzhandlung konzentriert den Hund vom Umfeld auf den Halter um. Deshalb kann man die permanente Durchführung auch nach einiger Zeit schleifen lassen, da sich eine neue Gewohnheit beim Hund eingestellt hat, er hat seine Aufmerksamkeit umorientiert.

Sieht man das Ergebnis, ist es fraglich, ob es tatsächlich nur der Jagd- oder Hütetrieb war, der das Fehlverhalten brachte. Vielmehr hat der Hund vorher mit diesem Trieb die mangelnde Bindung zum Halter kompensiert.

So, diese kleine Ausschweifung musste hierhin, um zu zeigen, dass kein Hund von Natur aus so sehr Workaholic ist, dass er den ganzen Tag beschäftigt werden müsste. Natürlich freut der sich aber über regelmäßige Arbeit, vielleicht Agi?

Ich habe auch nichts in der Art studiert und halte gnädigst meine Wange für eine Watschen hin!

Zum Schluß noch: Wo Hütehund drin ist, ist auch meist ein empfindsameres Gehör. Deshalb immer erst in recht stiller Umgebung und ruhigem Ton üben und nicht zu sehr auf scharfen "S"-Lauten ausruhen!

LG Vera

____________________________________________________

Lieber Orangenhaut als gar kein Profil! -

Ina Müller

Schle Miel ( gelöscht )
Beiträge:

20.06.2008 21:41
#6 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten



Hey Katja,

ich leb ja nun auch mit ner Hütermischung zusammen, ebenfalls zu früh von Mutter und Geschwistern getrennt und einiges von dem, was du schreibst, kommt mir bekannt vor. Magst du mal berichten, wie Jorgos Tagesablauf so aussieht?

Elektra Offline

und definetely not everybody's darling (Forumsbetreiber)


Beiträge: 41.083

21.06.2008 06:26
#7 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten
Hey Christine,

Unfug ist das sicher nicht. Wobei ich ein anderes Fazit für die gleiche Lösung ziehen würde: Was Ihr bzw. Deine Kollegen nämlich AUCH getan habt/haben, war/ist dem Hund schlicht und ergreifend Führung zu geben. Er bekam "gesagt", was er wann tun muß, und so konnte er sicherer werden. Ihr hattet ihm ja SEINE Ersatzhandlung/sein von ihm selbst gezeigtes alternatives Verhalten gegen die Unsicherheit/Angst genommen. Und natürlich mußte da ein Loch entstehen. In diesem Fall: Auch in der Jacke. Oder wenigstens fast. :-)

Vera, ich halte Ursachenforschung nicht für so ganz müßig. Was ich für Blödfug halte, ist das ewige "was der in seiner Kindheit erlebt haben muß"-Gefasel. Niemand kann, wenn er nicht dabei war oder den Züchter kennt, Rückschlüsse auf die hundliche Vergangenheit ziehen, aber nach dem Ursprung des Verhaltens (Unsicherheit, Frustration usw..) kann und sollte man durchaus suchen.

Es ist eventuell eben doch ein Unterschied, ob ich einen Angstbeißer habe, den ich "nur" sicher durch die angsteinflössenden Situationen führen muß oder ob ich z.B. einen Herdenschutzhund habe, der mangels originären "Jobs" jeden schnappt, der ihm über den Weg läuft.

Bekanntermaßen bin ich persönlich überzeugt, daß allein "animal learn" generell nicht reicht. Das heißt, es ist ja schön und gut, dem Hund ein Ersatzverhalten beizubringen. Nur, was ist, wenn er dieses Ersatzverhalten gar nicht zeigen will? Ich halte es für fast unmöglich, wirklich zuverlässiges Verhalten zu "erzeugen", ohne auch einen Führungsanspruch zu untermauern. Und ich glaube, daß uns das unsere Hunde vorleben, daß Kommunikation und zwar ausschließlich im Wechsel von positiv und negativ funktioniert. Und niemand muß, um ein erwünschtes Verhalten durchzusetzen, deshalb seinen Hund "mißhandeln". Ebenso, wie es auch hier -siehe oben- natürlich darauf ankommt, wie der Hund "gestrickt" ist.

Doch grundsätzlich gilt, denke ich: Je unsicherer der Hund, desto enger sollte die ihn führende/leitende Struktur sein, einfach weil er sich an ihr besser "langhangeln" kann als an einer, die allzuviele, um es mit Schle zu sagen, Lücken läßt.

Katja, auch mich würde eine viel ausführlichere Beschreibung von Jorgos Verhalten interessieren. Ich frage mal ins Blaue: Kann es sein, daß Jorgo gar nicht so sehr unter Streß gerät/unsicher wird, sondern die Lücken im System sieht/nutzt?

Nehmen wir Deine Beispiele:
Fall 1: Er sah die Lücke, die durch das Abgelenktsein seiner Menschen entstand. Er sah das Wild, dachte, jetzt geht es los, steigerte sich ziemlich weit rein (er wird die Witterung vielleicht auch schon weit vorher gehabt haben und deshalb aufgeregt gewesen sein) und war dann hoch frustriert, weil Du ihn doch noch gestoppt hast, als er schon ziemlich unter Strom stand und das Reh quasi schon auf dem Teller.
Fall 2: Du warst mit Deiner Aufmerksamkeit bei ihm, er sah zwar den Hasen, hatte aber a) vergleichsweise viele andere Reize und konnte b) das Adrenalin gar nicht so hochfahren wie in Fall 1, weil Du ihn schon im Ansatz gestoppt hast, also in der für den Abbruch noch möglichen/richtigen Jagdsequenz.

Sorry, aber manchmal denke ich, wir sollten nicht so sehr viel in unsere Hunde reinpsychologieren, sondern zumindest den Versuch machen, eine Situation erstmal durch ihre "Brille" zu betrachten.

Von daher auch an einem anderen Punkt ein "ketzerisches" Nachhaken: Du sagst, Du hast eine enge Bindung zu Jorgo. Nun behaupte ich mal, Bindung ist aber nicht gleich Bindung. Die meisten von uns werden -subjektiv gefühlt- eine sehr enge Bindung an ihren Hund haben, und der Hund wird gerne viel schmusen, es supertoll finden, daß er sein Fressen von uns bekommt und sein "Spaß-Programm". Aber: Das sagt noch nichts über die Qualität der "Führer-Bindung" aus, also darüber, wie ernst uns der Hund auch in Krisensituationen nimmt.

Mir z.B. wurde lange von Außenstehenden gesagt: "Mensch, der hat aber eine enge Bindung zu Dir" oder "der ist aber auf Dich fixiert". Klar, Ben jaulte, wenn ich wegging, schaute mir nach, wo immer ich mich bewegte, guckte mich überhaupt viel an, buhlte um meine Aufmerksamkeit. So hatte er sicher in gewisser Weise eine enge Bindung an mich. Nur leider, leider machte er in stressigen Situationen, was ER für richtig hielt. Und DAS mußte ich korrigieren, um jetzt einen Hund -eben- zu führen, der sich gerade dann, wenn Aggression eigentlich seine Lösung/Antwort wäre, an mir zu orientieren und mich lösen zu lassen.

Viele Grüße
Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)

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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)

Mydog Offline

Direktorin des Zwockel-Zirkus und bekennend geschirrsüchtig sowie Tante Lupa (Admin)


Beiträge: 38.113

21.06.2008 09:52
#8 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten
Zitat von Elektra
Von daher auch an einem anderen Punkt ein "ketzerisches" Nachhaken: Du sagst, Du hast eine enge Bindung zu Jorgo. Nun behaupte ich mal, Bindung ist aber nicht gleich Bindung. Die meisten von uns werden -subjektiv gefühlt- eine sehr enge Bindung an ihren Hund haben, und der Hund wird gerne viel schmusen, es supertoll finden, daß er sein Fressen von uns bekommt und sein "Spaß-Programm". Aber: Das sagt noch nichts über die Qualität der "Führer-Bindung" aus, also darüber, wie ernst uns der Hund auch in Krisensituationen nimmt.

Mir z.B. wurde lange von Außenstehenden gesagt: "Mensch, der hat aber eine enge Bindung zu Dir" oder "der ist aber auf Dich fixiert". Klar, Ben jaulte, wenn ich wegging, schaute mir nach, wo immer ich mich bewegte, guckte mich überhaupt viel an, buhlte um meine Aufmerksamkeit. So hatte er sicher in gewisser Weise eine enge Bindung an mich. Nur leider, leider machte er in stressigen Situationen, was ER für richtig hielt. Und DAS mußte ich korrigieren, um jetzt einen Hund -eben- zu führen, der sich gerade dann, wenn Aggression eigentlich seine Lösung/Antwort wäre, an mir zu orientieren und mich lösen zu lassen.


Ich finde das gar nicht so ketzerisch, Elektra.
Der Gedanke ging mir auch als erstes durch den Kopf, als ich das mit der "Bindung" las.

Ich sage jetzt z.B. mal ganz selbstkritisch, daß Murphy emotional eine extrem starke Bindung an mich hat. Sie ist allein auf mich fixiert, was in vielen Bereichen immer und immer wieder feststellbar ist.
Aber ein starke "Führer-Bindung" an mich, hat sie eigentlich nicht. Sie hat im Zweifelsfall (und gerade in kritischen Situationen) immer selbst entschieden und das getan, was sie für richtig hielt und war dann von mir auch nicht abrufbar. *schäm*

Daher denke ich, das dies durchaus ein sehr wichtiger Punkt ist. Und das nicht nur bei angstaggressiven Hunden sondern auch bei allen anderen, bei denen man "problematisches Verhalten" ändern möchte.




Petra mit Mogli und dem Schäfchen im Herzen
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Der ist nicht klein, der ist ein Hundekonzentrat. :o)

Winnie Offline




Beiträge: 15

21.06.2008 12:43
#9 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten

Hallo ihr Lieben, und vielen Dank für eure Antworten!

Ich find es toll, daß ihr euch solche Gedanken um unser Problem macht!

Also, zunächst möchte ich sagen, daß ich beide Eltern von Jorgo kenne. Sein Vater ist ein Flat-Coated Retriever und seine Mutter ein Schäfi-Mix. Ich bin mir sicher, daß bei Jorgo eine Portion Hütetrieb vorhanden ist und kann nicht ausschließen, daß dieses die Probleme mit verursacht haben kann.

Nun habe ich eine blöde Frage: Woran erkenne ich denn, wie ausgeprägt der Hütetrieb ist? Welches Verhalten ist typisch für Hütehunde? Und wie kann ich einen Hund, der gerne hüten will, anderweitig auslasten?

Nun zu euren Fragen: Einen "typischen Tagesablauf" hat Jorgo nicht. Vielleicht fehlt ihm dadurch auch die Sicherheit. Wenn ich arbeiten bin, ist Jorgo meistens bei meiner Mum und manchmal auch bei meinem Freund. Beide beziehen ihn in ihren Tagesablauf ein, nehmen ihn mit zu Freunden oder lassen ihn auch mal links liegen, wenn sie anderweitig beschäftigt sind. Jorgo geht auf jeden Fall mindestens 3mal am Tag raus, so daß er mindestens 2 Stunden am Tag unterwegs ist. Meine Mum trifft sich oft mit anderen Hundebesitzern, so daß er auch regelmäßigen Hundekontakt hat. Jorgo ist sowohl in der (Klein-)Stadt (bei meinem Freund und mir) als auch auf dem Land (bei meiner Mum) zuhause. Spaziergänge machen wir auf dem Feld, im Wald und in der Stadt in den Rheinanlagen. Wenn ich zu den Pferden fahre, kommt Jorgo mit. Er muß aber im Auto bleiben, wenn ich mich um die Pferde kümmere, da ich ihn sonst nicht im Blick habe.

Nun zu unseren Spaziergängen. Mit Jorgo MUSS man sich unterwegs beschäftigen, das geht gar nicht anders. Er fordert auch die Beschäftigung. Zudem läuft er ja an der Schleppleine (10 m), weil er noch nicht sicher abrufbar ist, vor allem wenn er gestresst ist. Und da wir nicht einfach nur an der Schleppleine spazieren gehen, sondern SL-Training mit ihm machen (mit Markerwort, Radius einhalten), ist eine ständige Kommunikation da. Jorgo "sucht" auch sehr oft die Bestätigung oder Rückmeldung bei uns. Eine Übung oder ein Spiel zwischendurch ist für ihn keine Ablenkung, sondern eine Belohnung. Er freut sich über alles, was er unterwegs machen "darf". Wir machen mit ihm unterwegs kleine Gehorsamsübungen, rufen ihn immer wieder ab und vor allem machen wir Suchspiele, damit er seine Nase einsetzen muß und dadurch kopfmäßig beschäftigt ist. Natürlich "darf" er aber auch rumschnüffeln und sein eigenes Ding drehen (natürlich nur innerhalb seines Radius). Wir achten besonders darauf, daß er nur aus der Ruhe heraus mit Lob oder Spiel bestätigt wird, damit er lernt, runterzukommen.

Elektra, bez. der Bindung hast Du vielleicht Recht. Ich denke nicht, daß ich unser Mensch-Hund-Verhältnis selber so gut beurteilen kann. Dafür hängen bei mir auch zu viele Gefühle daran.

In vielen Situationen, z. B. bei Hundebegegnungen, bin ich mir aber ganz sicher, daß Jorgo sich an mir orientiert. Er sieht den Hund, sucht dann Blickkontakt zu mir und folgt mir auch, wenn ich dem anderen Hund ausweiche.

Was macht denn eine "Führer-bindung" aus? (Schon wieder eine blöde Frage, ich weiß!)

Und noch etwas: Wenn viele der Probleme wirklich durch den Hütetrieb bedingt sind, wie z. B. das Anspringen von Autos - warum macht Jorgo es dann nur an der einen Straße? Den Trieb hätte er doch überall und nicht nur dort?

Bez. Auslastung habe ich es mal in unserem Verein mit Agility probiert. Jorgo ist dabei aber völlig abgedreht und ist nur so rumgeschossen, was nicht sehr effektiv war. Daher machen wir zur Zeit "nur" Obedience (ohne Turnierambitionen), wobei ich versuche, alles aus der Ruhe zu machen. Jorgo ist anschließend immer völlig geschafft von der Konzentration. Ich denke, das macht bei ihm mehr Sinn als ihn körperlich auszupowern, wobei er aber innerlich unter Dauerstrom steht. Oder was meint ihr? Vielleicht klappt es ja auch irgendwann mit Agi, das wäre toll.

Elektra, ich weiß, daß Animal Learn nicht für jeden Hund das einzig wahre ist. Aber wir haben dort viel gelernt, was uns im Alltag weiterhilft. Und die Übungen fürs Antijagdtraining sind wirklich Gold wert. Auch über das "kommunikative Spazierengehen" haben wir viel gelernt. Meine Mum hat sich mit Jorgo bei einer anderen Hundetrainerin, die einen sehr guten Ruf hat, zu einem Kurs angemeldet, was ich super finde. Denn sie muß ja auch mit Jorgo klarkommen. Ich mache nächsten Monat auch noch einen weiteren Kurs bei der Animal-Learn-Hundeschule.

Ach ja, ich hatte in meinem ersten Beitrag eine wichtige Sache vergessen: Jorgo hatte schonmal Jagderfolg - er hat einen Rehbock auf dem Gewissen...

So, ich hoffe, ich habe nichts vergessen. Es ist gar nicht so einfach, das alles schriftlich zu formulieren. Ich danke euch sehr für eure Antworten, die mir wirklich zu denken gegeben haben. Vielleicht hat auch jemand einen Tip, wie wir weiter vorgehen können.

Liebe Grüße
Katja und Jorgo

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Vera Offline




Beiträge: 91

21.06.2008 13:01
#10 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten

Hallo Katja,

ich kann nur von der Hütehundmischlingshündin meiner Mutter berichten. Der Hütetrieb zeigte sich durch ein ständiges Umkreisen der Familie auf Spaziergängen, wobei die Hündin immer ein Auge auf uns hatte. Lief einer von uns Kindern aus der Gruppe heraus, erinnerte sie durch ein Wadenzwicken daran, wo unser Platz war.

Dein Sorgenkind scheint auch Wachtrieb zu haben. Eine alte negative Erfahrung scheint es nicht zu sein, denn sonst würde er überall Autos attackieren.
Beherrscht er denn das Apportieren? Das bietet sich doch evtl. durch den Retrieveranteil an.

Wenn bestimmte Übungen oder Sportarten so sehr aufkratzen, sollten sie auch nur sparsam dosiert Anwendung finden. Ein aufgekratzter Hund ist nicht Sinn der Sache.
Bei dieser Veranlagung habe ich gute Erfahrungen mit einer anders als gewöhnlich betonten verbalen Belohnung gemacht: Statt hohen aufputschenden Quietschens eher ein ruhiges und und bewunderndes "guuut", ähnlich, wie man "wow" sagen würde.

LG Vera

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Ina Müller

Mydog Offline

Direktorin des Zwockel-Zirkus und bekennend geschirrsüchtig sowie Tante Lupa (Admin)


Beiträge: 38.113

21.06.2008 13:16
#11 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten
Zitat von Winnie
Ach ja, ich hatte in meinem ersten Beitrag eine wichtige Sache vergessen: Jorgo hatte schonmal Jagderfolg - er hat einen Rehbock auf dem Gewissen...

Nur ein ganz kurzer Gedanke zu Deinen zwei Beispielen unten:
Fall 1: ein Reh
Fall 2: "nur" ein Hase

..... könnte doch für ihn, nach dem Jagderfolg den er schon mal hatte, auch ein wesentlicher Unterschied sein und nicht nur die Ausgangssituation, oder?




Petra mit Mogli und dem Schäfchen im Herzen
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Schle Miel ( gelöscht )
Beiträge:

21.06.2008 14:50
#12 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten



In Antwort auf:
Dein Sorgenkind scheint auch Wachtrieb zu haben.


Woraus schließt du das?


In Antwort auf:
Eine alte negative Erfahrung scheint es nicht zu sein, denn sonst würde er überall Autos attackieren.


Hm?

Katja berichtet oben, dass Jorgo die Autos an einer einzigen Straße angeht. Und zwar an dem Ort, an dem er selber von einem Hund angegriffen wurde, was offensichtlich für ihn (siehe seine Reaktion "Schock", "Erbrechen") ein sehr heftiges Erlebnis war. Bedenkt man nun, dass Hunde ortsgebunden lernen, finde ich es nicht weiter verwunderlich, dass er konkret an dieser Straße auf das empfindlich reagiert, was sich ihm schnell nähert (eben Autos). Möglicherweise kam auch im Moment des Angriffs ein Auto vorbei und es gab bei ihm ne Fehlverknüpfung. Passiert nicht so selten bei Negativ-Erfahrungen.



Vera Offline




Beiträge: 91

21.06.2008 16:45
#13 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten

Sorry, bin noch nicht so drin in all den Geschichten!

LG Vera

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Ina Müller

camijojo Offline



Beiträge: 1.630

21.06.2008 19:00
#14 RE: Jorgo, der Stress und das Jagen Zitat · Antworten

Nur ganz kurz möchte ich noch mal meinen Senf abgeben: mir fällt v.a. auf, dass Jorgo GESTRESST ist -warum auch immer. Ich fände es auch wichtig -falls noch nicht geschehen- ihn gesundheitlich checken zu lassen. (Schilddrüse etc.)
Der "Hütetrieb" als solcher ist übrigens lt. Coppinger lediglich eine selektierte Variation des Jagdtriebes. Vielleicht ist es egal, ob Hüter oder Jäger? Wichtiger: gestreßt und unausgelastet. (?)
Ich selbst habe einen Hüter, , der auch gerne zu Übersprungshandlungen neigt und eines weiß ich sicher: ihm tut es gut, auch mal allein zu sein. Vielleicht wäre es gut, mit Jorgo das Alleinsein nochmals "von vorne" aufzubauen. Meiner Meinung /Erfahrung nach kann es einen Hund sogar entspannen, auch mal allein zu sein.
Es sind so viele einzelne Streßsitutationen, die Du für Jorgo schilderst, dass ich empfehlen würde, eine "Liste" zu machen, woran Ihr zuerst/oder überhaupt konkret arbeiten wollt.

Mielita Offline



Beiträge: 1.325

21.06.2008 23:05
#15  Zitat · Antworten

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