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Dieses Thema hat 3 Antworten
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 Pflicht und Kür (öffentlich)
Elektra Offline

und definetely not everybody's darling (Forumsbetreiber)


Beiträge: 41.083

02.06.2009 00:41
Pflichtenheft für Hundehalter Zitat · Antworten

Hier die Fortsetzung des Berichts http://www.aggressionshund-forum.de/t395...eziehungen.html, in diesem zweiten Teil ging es in der Hauptsache darum, was all das Wissen um Gruppenverhalten und Dominanzbeziehungen für die Kommunikation zwischen Mensch und Hund bedeutet.

Ich gebe das jetzt in dem Ton wieder, den Bloch auch anschlug, weil ich den Forderungscharakter, der seine Erläuterungen über das, was ein Hund von seinem Menschen eigentlich erwarten können müßte, begleitete, sehr wichtig und in genau dieser Deutlichkeit für richtig halte.

Schon zu Beginn dieses Teils wies er, Feddersen-Petersen zitierend, die er als die führende Ethologin Deutschlands bezeichnete, auf eine besorgniserregende Diskrepanz hin. Diese bestehe zwischen dem menschlichen angeblichen Bestreben, doch nur das Beste für den Hund zu wollen sowie einer rein emotionalen Betrachtungsweise des "besten Freundes des Menschen" und der situativen Bestrafung genau dieses Freundes für aus dessen Sicht absolut adäquates oder gar angeborenes Verhalten. Im Gegenteil, so sagte er, stehe dieses subjektive und allein vom Menschen definierte "Wohlergehen" des Hundes oftmals in völligem Gegensatz zu einem guten, caniden-gerechten Leben.

Für ihn sei sowohl die Annahme, Menschen und Hunde könnten "Rudel" bilden, als auch die Behauptung, daß es in einer Mensch-Hund-Beziehung keine Dominanzbeziehungen gäbe, vollkommen absurd.

Bloch geht davon aus, daß es a) einen klassischen Konflikt einer Dominanz- und Unterwerfungsbeziehung gehe, wenn Menschen und Hunde zusammenlebten. Dessen Pole liegen für ihn z.B. im Durchsetzungsvermögen einerseits und dem Hand-Lecken andererseits. Darüberhinaus sei b) das Geben und Nehmen, das zwischen beiden "Parteien" im Wechsel funktioniere, von fundamentaler Bedeutung.

Hieraus leitet er folgende Pflichtenliste ab.

1) "Betrügereien" wie Täuschen und Tricksen, um an Leckerchen zu kommen, gehören zum hundlichen Handwerk.

Daher bedarf es
a) von Seiten des Menschen einer genauen Beobachtung situativen hundlichen Verhaltens, vor allem aber der Fähigkeit, es aus hundlicher Sicht korrekt einschätzen zu können, um einen situativen ungewollten Erfolg des Hundes ggf. unterbinden zu können und sei es
b) für den Hund wichtig, daß der Mensch es nicht bei monotonen Angeboten belasse, wie sie z.B. die Gabe lediglich einer einseitigen Futterbelohnung darstellen würde, sondern sich mittels regelmäßiger Sozialkontakte, Sozial- und Objektspiele und eines flexiblen Angebotes aus Spaziergängen, Ausflügen oder anderer Unternehmungen in die Beziehung zu seinem Hund einbringe.

2) Der Mensch muß Vertrautheit aufbauen. Dies kann er nur, indem er sein Verhalten für den Hund vorhersehbar und verständlich macht, d.h., er hat unkontrollierte "Ausbrüche" emotionalen Verhaltens bzw. emotionale Instabilität zu vermeiden, muß im Gegenteil dem Hund Sicherheit auch und gerade in gefahrenträchtigen Lebenslagen vermitteln können. Besonders für Halter mehrerer Hunde sei es notwendig, gerecht zu handeln und keinen der hundlichen Partner zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

3) Der Mensch muß als Sozialpartner durch regelmäßige Anwesenheit, soziale Präsenz und Unterstützung sowie soziopositiver Verhaltensweisen (z.B. Pflege, Nähe, Zärtlichkeitsaustausch) ausreichende Verfügbarkeit beweisen.

4) Der Mensch muß sich vor allem "draußen" als ortskundiger und selbstsicherer Leiter erweisen. Parallel muß er jedoch dem Hund die Möglichkeit einräumen, eigene Selbstsicherheit, z.B. durch Markierverhalten, zu zeigen. Zudem müsse er das selbständige Explorations-Bedürfnis als positiven Verhaltenseffekt im Sinne der Fähigkeit zur Bewältigung von Herausforderungen begreifen und entsprechend fördern.

Explizit formuliert Bloch: "Biologische Grundbedürfnisse (z.B. Knurren, Brummen, Lefzen anheben zur Verständigung mit Artgenossen in ritualisierter Form, das Übermarkieren von "Hunde-Treffpunkten" bzw. harmloses Ritualpinkeln mit oder beim Anblick von Artgenossen) sind zu respektieren!"

Vor allem aber seien Bestrafungen angeblichen/vermeintlichen Dominanzverhaltens wie insgesamt aus hundlicher Sicht völlig unsinnige "Einwirkungen" unbedingt zu vermeiden, wobei die Betonung auf "vermeintlich" und "aus hundlicher Sicht unsinnig" liegt, die Aussage also nicht generalisiert zu verstehen ist.

Ein "Dominanz-Problem" besteht laut Bloch in einer Mensch-Hund-Beziehung am ehesten, wenn der Mensch es nicht schafft, seinen Hund ggf. abzurufen, egal, in welchem Kontext.

5) Der Mensch muß lernen, emotionale Streßreaktionen (und zwar in erster Linie seine eigenen, weniger die des Hundes) zu kontrollieren bzw. zu vermeiden. Nur ein Mensch, der selbstsicher auftrete und eine klare Körpersprache zeige, habe Chancen, "beruhigend" auf den Hund zu wirken.

6) Der Mensch muß einen klaren Handlungsrahmen vorgeben, innerhalb dessen der Hund sich frei entfalten können sollte. In diesem Zusammenhang definiert Bloch den Begriff "Unterordnung" als "notwendige Kontrolle von Freiraum bei zwischenzeitlicher Zulassung von Selbständigkeit", sehr trefflich, wie ich finde.

In Ergänzung erklärt er, daß Hunde regelmäßige Kontakte mit anderen Menschen, Artgenossen, Freilauf und viele Erkundungsmöglichkeiten unbedingt benötigen. Noch ein Zitat: "Massiv angewandter psychologischer Dauerdruck über ständiges Verhaltensmanagement hat mit 'moderner Hundehaltung' nichts gemein, sondern ist eine Form der 'Machtausübung der Neuzeit' und kein Nettigkeitsbeweis.

7) Ein unsicherer oder sich neutral-verhaltender Hund darf erwarten, daß sein Mensch als zuverlässiger Leiter durch klare Körpersprache und verbal deutliches Auftreten Fremdhundebesitzern gegenüber für ihn eintritt.

8) Der Mensch hat dafür Sorge zu tragen, jegliches Nachahmungslernen oder übertrieben aggressives Auftreten des eigenen Hundes in seiner Anwesenheit zu verhindern, indem er seinen provokant auftretenden Eigenhund nicht regelmäßig 'rettet', es sei denn, dieser kommt tatsächlich unverschuldet in eine brenzlige Situation und aggressive Verhaltenstendenzen, die nicht dem natürlichen Maß der biologischen Funktion des Drohverhaltens entspricht z.B. durch den Einsatz von Abbruchsignalen unterbindet.

Bewußter Einsatz von Kommunikation vom Menschen zum Hund

1) Menschen vermeiden den Einsatz von Beschwichtigungssignalen, bieten aber statt dessen Beruhigungs- oder Versöhnungssignale an, wenn nötig.

2) Eine länger anhaltende Zurückweisung des Hundes durch Ignoranz bzw. Nichtbeachtung ist tierschutzrelevant und stets zu vermeiden. Zu ersetzen wäre sie durch das auch wölfischen Leittieren eigene Bestreben, eine Gruppenharmonie wieder herzustellen. Sozialkontakte zum falschen Zeitpunkt sind im Umkehrschluß jedoch ebenfalls zu unterlassen und werden nur dann gesucht, wenn es der jeweilige situationsbedingte Zusammenhang gebietet.

3) Der Mensch hat die Pflicht, über eindeutige Signale für Klarheit zu sorgen. Hier sollte es um eine ganz-einheitliche Kommunikationsform via Mimik, Sprache und Blicken, Bewegungsveränderungen sowie Signalen, die Selbstsicherheit ausstrahlen, gehen.

Fazit: Eine im positiven Sinne 'bodenständiger' Referent, der einmal mehr für einen natürlichen Umgang mit Hunden warb. Die fortwährende Betonung der phantastischen Kommunikationsfähigkeiten von Caniden, auf die der Mensch so leicht zurückgreifen könnte, wenn er nur wollte und bereit wäre, sich von menschlichen Schablonen zu verabschieden, beeindruckte mich wieder sehr. Was jedoch mehr als alle Worte sagen konnte, war, Bloch in einem kurzen praktischen Teil im Umgang mit verschiedenen Hunden zu erleben. Er hat einfach genau den richtigen natürlichen Instinkt, der ihn für Hunde offenbar attraktiv, weil lesbar, macht. Dabei reitet er nicht auf irgendwelchen Prinzipien herum, sondern "spricht" einfach mit dem Vierbeiner, den er gerade vor sich hat.

Als er für eine der Übungen, die er zeigen wollte, einen leicht bellenden Hund suchte, bot ich ihm Seppi an. Ich hatte, im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern, meine Jungs in einigen Metern Entfernung von der Gruppe aus Menschen und Hunden in den Schatten gelegt und mußte Seppi so zu mir rufen, während Ben liegenbleiben sollte. Ich verhehle nicht, daß ich verdammt stolz auf die Hundekerle war, weil sie sowohl sicher liegen blieben, als sie es sollten, als auch auf Ruf so kamen, wie es gedacht war. Was dann nicht funktionierte, war die Nutzung Seppis als "Testhund". Da plötzlich von allen Seiten Hunde durch ihre Halter unkontrolliert an ihn ran wollten, bellte er nicht, sondern versteckte sich hinter mir. Als ich Bloch darauf mitteilte, damit leider nicht zur Verfügung stehen zu können, sondern meinen Hund auf Basis dieses Vertrauensbeweises lieber aus der "Schußlinie" bringen zu wollen, grinste der Referent breit und suchte sich als Ersatz Paul, einen acht Monate alten Staff-Mix, der schon im Seminarraum andere Hunde angekläfft hatte und von seiner Bezugsperson absolut überhaupt nicht kontrolliert worden war.

Es war wirklich spannend, die Wandlung des Kerlchens an Blochs Seite zu erleben. Einzig durch klare Ansagen und sozialen Kontakt zur richtigen Zeit begriff Paul in wenigen Minuten, was von ihm erwartet wurde und was er zu erwarten hatte. Leichte körperliche Einwirkungen über Blockaden von Bewegungen und ein gelegentliches, aufmerksamkeitsrichtendes "Antippen" in den Flanken reichten, um Paul zu orientieren und vor allem viel, viel ruhiger zu machen. Vorher hatte er gemacht, was er wollte, subjektiv. Objektiv, was er glaubte, tun zu müssen, denn das "vorher" hatte ihm deutlich Streß gemacht, während er jetzt fast anhimmelnd an Bloch hing und diesen Menschen offenkundig klasse fand.

Für mich war es dessen Plädoyer, unsere Hunde mehr Hund sein zu lassen, verbunden mit der Verpflichtung, ihnen von ausreichender Aufmerksamkeit über klarste Informationen und sicherer Leitung durch den Alltag zu geben, das mich am Ende des Tages sagen ließ: Viel gelernt, viel mitgenommen, das Seminar hat sich gelohnt.

Daß auch noch der Seppi-Hund das dicke Lob, bei diesem zweiten Seminar an dem er teilnahm, schon soviel ruhiger zu sein als beim ersten, einheimste, war zwar nur eine Randerscheinung, aber doch eine schöne Anerkennung für den Weg, den das "Dreifarben-Tier" in schnellen Schritten und so erfolgreich zurücklegt.

Viele Grüße
Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)

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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)

Sandy Offline




Beiträge: 59

15.05.2010 13:17
#2 RE: Pflichtenheft für Hundehalter Zitat · Antworten

Wow, Barbara, da hast Du Dir ja echt ne Wahnsinnsmühe gemacht und das alles zusammengefasst. DANKE DIR!!! (Auch wenn es schon fast ein Jahr her ist).
Aber ich bin ja neu hier und ich werde noch ein paar - für Euch schon alte Geschichten - bestimmt wieder zum Vorschein bringen.

Total interessant. Wenn ich vorher DAS ALLES gewusst und gelesen hätte, was ich jetzt alles weiß und gelesen habe (und glaubt mir - 5 Bücher habe ich mindestens vor dem Welpenkauf gelesen), dann hätte ich mich gar nie getraut, einen Hund bei mir aufzunehmen.
Von dem her - Gott sei Dank habe ich das alles NICHT gewusst - und es sind zwei Fellnasen hier eingezogen und ich/bzw. wir stellen uns der Herausforderung. Was wäre ich dumm gestorben ohne diese Zwei. Manchmal (nur ab und an), denke ich, wie viel einfacher doch einiges wäre...... aber im Gegenzug.....wie arm wir doch ohne sie wären!!

Liebe Grüße
Sandy mit Shiva und Janosch

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Wenn Gott einen Hund misst zieht er ein Band um das Herz, statt um den Kopf.

Elektra Offline

und definetely not everybody's darling (Forumsbetreiber)


Beiträge: 41.083

16.05.2010 01:50
#3 RE: Pflichtenheft für Hundehalter Zitat · Antworten

Zitat von Sandy
Was wäre ich dumm gestorben ohne diese Zwei.



Genau so sehe ich das auch. Was wäre mir alles entgangen, wenn ich nicht erst Ben, dann Seppl und jetzt Ilias bei mir aufgenommen hätte. Und ich weiß, daß viele andere hier genau dieses Gefühl ebenfalls kennen. :-)

Viele Grüße
Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)

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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)

Diana Offline

mit intelligenzspielendem Aussie in eigener Burg gegen Donnerwetter unterwegs


Beiträge: 286

16.08.2010 13:50
#4 RE: Pflichtenheft für Hundehalter Zitat · Antworten

Vielen Dank für die tollen Zusammenfassungen!!
Im September bin ich auch wieder auf einem Vortrag. Dr. Udo Ganßloser referiert dort....ist auch immer sehr interessant und lehreich!!! Bei Günther Bloch war ich leider noch nie....

Liebe Grüße
Diana mit Maya!

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